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Den Titel ”Gehasst, gefürchtet, vergöttert“ wählt der Verein Herpeton für seine erste Broschüre und lässt uns damit in den Spiegel der Befindlichkeiten blicken, rund um diesen wenig beachteten Teil unserer reichen Fauna. Entstanden ist ”Herpeton“ vor elf Jahren, geleitet vom Vorhaben einen Atlas der Amphibien und Reptilien Südtirols herauszugeben: ein Mammutwerk, das sich auf Gelände-Beobachtungen und auf eine Datenbank der letzten zehn Jahre stützt. Die Veröffentlichung ist für 2022 geplant. Ivan Plasinger ist nicht nur Vereinspräsident in seiner Freizeit, sondern beruflich auch der Leiter des Naturparkhauses Trudner Horn. Vermitteln ist sein Metier, die Natur sein persönliches Habitat. Zu seinen schönsten Kindheitserinnerungen zählen die Stunden in den Wäldern rund um Siebeneich/Bozen mit seinem Opa, auf der Suche nach der Gelbbauchunke und der Ringelnatter, mit denen er im Bach geschwommen ist. Seine Leidenschaft ist im Aufziehen von Kaulquappen und Beobachten von Schlangen entstanden.

Sommer in der Stadt. Auf welche Kriechtiere können wir, mit etwas Glück, im Raum Bozen stoßen?
Auf dem Gemeindegebiet Bozens finden wir alle Arten unserer heimischen Echsen, Schlangen, Schwanz- und Froschlurche, mit Ausnahme des Alpensalamanders, des Laubfroschs und des Teichmolches. In der Stadt selbst finde ich keine Gifttiere, weil sie auf Störungen sehr sensibel reagieren. Die warmen Hänge südlich von Bozen hingegen sind das einzige Gebiet in ganz Europa, wo sich die Lebensräume der drei heimischen Giftschlangen Kreuzotter, Aspisviper und Hornotter überlappen, sie also alle drei vorkommen. Ähnliches findet man auf Kohlern: Auf seiner feucht-kalten Seite die Kreuzotter, auf den Trockenmauern der Weinhänge die Aspisviper, auf der Geröllkante die Hornotter. Natürlich findet man im Raum Bozen auch die ungiftigen Äskulapnatter, Karbonarnatter, Schlingnatter und die wasserliebenden Würfel- und Ringelnatter, gelegentlich auch in privaten Höfen oder auf Stadtplätzen. Darum schulen wir Feuerwehrleute, damit sie wissen, wie sie mit diesen urbanen Funden umgehen und – je nach Tier – in welchem Habitat sie diese wieder aussetzen sollen. Nattern bewegen sich in einem größeren Radius, Vipern sind hingegen ortstreu, dafür aber nicht in dicht besiedelten Räumen zu finden.

Welches Umfeld braucht die Herpetofauna? Welche Lebensbedingungen sind förderlich, welche weniger?
Weiher, Teiche, Feuchtgebiete sind wichtig für den Bestand der Amphibien, überall. Ebenso Steinplätze. In Bozen haben wir auch besonders viele Erdkröten, Grasfrösche siehe Bild oben, Wechselkröten, Grünfrösche. Brachflächen in der Stadt mit Pfützen liefern ebenfalls günstige Lebensbedingungen für die Gelbbauchunken. Der Vorteil dieser Tiere liegt entschieden in ihrer überbordenden Eiablage: In einem Laichballen sind rund 3.000 Eier, d.h. dass der Bestand relativ gesichert ist. Ein Nachteil ist die Tatsache, dass sie Wandertiere sind: Unsere verkehrsreichen Straßen, die Gullys und Schächte, aus denen sie nicht mehr herauskommen, die Baudichte und damit das Schrumpfen ihres Habitats - das alles macht es der Herpetofauna schwer. Amphibien sind Indikatoren für ein intaktes Umfeld, für eine saubere Umwelt. Weltweit gehören sie aufgrund der Verschmutzung der Gewässer zu den gefährdetsten Tierklassen.

Amphibien und Reptilien in der Stadt: ein Problem? Für wen?
Ein Problem haben die Tiere, wenn der Mensch Hindernisse aufstellt (Mauern, Straßen, Schächte). Wir haben für die Frösche, Kröten, Unken, Molche und Salamander, die ja alle zum Teil im Wasser und zum Teil an Land leben, in der Nähe des Kalterer Sees beispielsweise ein Projekt realisiert, um das Amphibiensterben zu reduzieren. Zusammen mit Umweltschützern, der Forstbehörde, der Gemeinde und dem Landesamt für Landschaftsökologie haben wir drei unterirdische Tunnel unter der Hauptverkehrsachse gebaut, mit einem Absperrungszaun, der die vielen Tiere am Überqueren der Straße hindert. Bei Schächten in der Stadt wäre es hingegen ein Leichtes und Günstiges, ein Plastik- oder Holzgitter hineinzuklemmen. Klettern können diese Tiere nämlich alle gut.

Was sollte jede*r über Schlangen und Amphibien wissen?
Zu den Schlangen: In Südtirol leben nur drei Giftschlangenarten – drei Vipernarten, und das sind die Kreuzotter, die Aspisviper und die Hornotter. Alle anderen Schlangen, die wir bei Wanderungen und Spaziergängen antreffen, sind harmlos, und überhaupt sind Schlangen Fluchttiere. Wissen sollte man, woran ich zweifelsfrei eine giftige Schlange hierzulande erkenne: Die Familie der giftigen Vipern (Ottern) ist von den ungiftigen Nattern an den Kopfschuppen (kleine Hornplatten), an der Kopfform (dreieckiger und deutlich vom Körper abgesetzt) und vor allem an den Augenpupillen leicht zu unterscheiden. Diese Pupillen sind aufrecht geschlitzt, bei allen anderen Schlangenarten sind sie rund. Giftzähne hinterlassen außerdem ein oder zwei deutliche Einstiche, harmlose Natternbisse hingegen nur einen Abdruck des Kieferbogens. Ein Mythos ist die Vorstellung, dass Schlangen springen. Nein, das können sie nicht. Wenn wir einer Schlange begegnen, reicht es, einen großen Bogen um sie herum zu machen. Außerdem sind Schlangen vollkommen taub und sehen schlecht. Ihr Riechorgan ist gut ausgebildet, und sie spüren nahe Erschütterungen am Boden, wenn sie wachsam sind. Dann züngeln sie, um mit dem hochsensiblen Organ Zunge zu verstehen, was da los ist. Das Züngeln ist also kein aggressives Zeichen, sondern ein Sondieren der Lage. Und zu den Fröschen und Kröten: Wir sollten sie nicht
mit unseren viel zu warmen Händen berühren. Unsere Hauttemperatur ist für ihren Kaltblüter-Körper ein Problem. Es ist, wie wenn wir auf einer eingeschalteten Herdplatte sitzen würden. Wenn wir Frösche, Kröten, Lurche in die Hand nehmen müssen, um sie zu retten oder wegzutragen, dann sollten wir uns vorher die Hände nass machen.

HERPETON
„kriechen, schleichen“ bedeutet der Begriff aus dem Altgriechischen, der alle wechselwarmen Landwirbeltiere, also sowohl Reptilien als auch Amphibien, bezeichnet. Seit 2010 versammelt der mehrsprachige Verein „Herpeton“ an die 40 passionierte Herpetolog*innen, die sich für eine Verbesserung der Lebensbedingungen der heimischen Herpetofauna einsetzen. Ziel ist die Erhaltung ihrer Artenvielfalt sowie Aufklärung und Sensibilisierung. Der Verein berät sowohl Ämter und Naturschutzorganisationen als auch interessierte Privatpersonen. Er analysiert Beobachtungen und Funde, initiiert Projekte, führt Gruppen und Schulklassen ins Gelände, organisiert Tagungen, herpetologische Exkursionen, Austauschmöglichkeiten, und er dokumentiert das Leben dieser faszinierenden Tiere.

Siehe www.herpeton.it:  Insiderwissen, auch die Gesetzeslage zum Schutz einheimischer Tiere und zur Haltung von Exoten. Wenn Sie Reptilien oder Amphibien in der Gegend beobachten, freut sich der Verein über Hinweise und Fotos. Rückmeldung garantiert.