deu

Persönlichkeit des Monats: Maddalena Fingerle 

Maddalena Fingerle, geboren 1993 in Bozen, hat Germanistik und Italianistik studiert und ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität München. Im Jahr 2021 veröffentlichte sie ihren Roman Lingua madre (Verlag Italo Svevo), der mit dem Italo-Calvino-Preis, dem Comisso-Preis für Autor*innen unter 35, dem Flaiano-Preis für Autor*innen unter 35 sowie weiteren wichtigen Auszeichnungen prämiert wurde. 2022 erschienen weitere Veröffentlichungen und Erzählungen, 2024 wurde Pudore (Verlag Mondadori) veröffentlicht.

Wie wichtig ist für Sie das Thema „Identität“?

„Die eigenen Wurzeln kann man auch außerhalb des Geburtsortes spüren, sie können im Grunde genommen sprichwörtlich ‚in der Luft‘ hängen. Ich finde meine Wurzeln nicht in Bozen, sondern dort, wo ich Klänge und Stimmen wahrnehme, die mich an mein Zuhause erinnern – etwa, wenn ich den römischen Dialekt höre und sofort an meine Großmutter denke, oder wie jetzt, wo ich auf dem bayerischen Land lebe und Radio 3 höre. Bozen wird oft als zweisprachige Stadt wahrgenommen, das ist sie aber keineswegs – zumindest, was die italienischsprachige Bevölkerung betrifft, es gibt keinen charakteristischen Dialekt, den sie spricht.“

Wie denken und fühlen Sie, einsprachig oder mehrsprachig?

„Mich interessiert Zweisprachigkeit aus linguistischer Sicht, also, wie eine Erzählung in der einen oder anderen Sprache glaubwürdiger wirken kann. Denn die Sprache beeinflusst auch die Art der Erzählung. Wenn ich zum Beispiel auf Deutsch schreibe, merke ich, dass sich die Ideen anders entwickeln. Dennoch habe ich je nach Sprache nicht die gleichen Möglichkeiten: In den Übersetzungen durch andere wirkt die deutsche Sprache viel authentischer als wenn ich selber deutsch spreche oder schreibe. Die – wenig ehrliche – Formel, wonach wir alle zweisprachig sein müssen, und alles, was damit zusammenhängt, hat mich veranlasst, Lingua madre zu schreiben.“

Gibt es einen Ort, den Sie in Bozen lieben oder etwas, was Ihnen fehlt?

„Ein Ort, an dem ich mich zu Hause fühle und an den ich immer wieder gerne zurückkehre, ist die Buchhandlung La nuova Cappelli am Siegesplatz. Buchhandlungen sind überall wichtig, aber in Bozen noch mehr. Sie sind ein kultureller Treffpunkt, an dem Menschen zusammenkommen.“