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Die Sϋdtiroler Küche: Köstliche Tradition und Freude am Neuen

Südtirol ist ein Land der gepflegten Küche und vieler Köstlichkeiten. Bozen ist stolz darauf, auch hier eine Art Hauptstadt zu sein. Die Gastronomie blickt selbstbewusst in die Zukunft – ohne dabei auf die Tradition zu vergessen, die viele suchen. Sie bietet eine Mischung aus Reichhaltigkeit und gelungenen, verführerischen Ideen.

Wir treffen Bettina Schmid, Ernährungsberaterin und Leiterin des „Gusteliers“, des Ateliers für Geschmackserfahrung im Hoteliers- und Gastwirteverband (HGV). Um zu erfahren, wie sich die Gastronomie in Südtirol entwickelt und welcher Zukunft die ungezählten, gepflegten Restaurants entgegensteuern, dürfte sie die ideale Ansprechpartnerin sein.

Bettina Schmid:

„In Südtirol und Bozen treffen zwei Esskulturen aufeinander, die traditionelle Küche und die durchaus experimentierfreudige – nennen wir sie so – Michelin-Sterne-Küche. Natürlich denkt man daran, beide zu verbinden, es geht um Nachhaltigkeit und um kurze, nach Möglichkeit regionale Lieferketten.

Viele Spitzenköche des Landes bauen die Zutaten häufig vor Ort an und die Menüs, die sie zusammenstellen, entsprechen dann auch größtenteils der jeweiligen Ernte. Dem Kunden vermitteln sie auf diese Weise eine Art Geschichte, sie spannen einen Bogen vom Rohstoff, der aus dem Garten oder nahen Acker stammt, bis zum gepflegten Gericht am Teller.“

 

Verändert sich so auch das Verhältnis der Küchenchefs zu den Produzenten?

 

„Ja, in gewisser Weise. Wir fördern dieses Zusammenspiel, diese Zusammenarbeit, denn nur so gelingt es, die lokalen Produzenten noch stärker einzubinden. Wir setzen auf wichtige Partnerschaften, zum Beispiel mit dem Bauernbund, mit örtlich tätigen Genossenschaften oder Produzenten. Bald werden wir ein neues Projekt vorstellen, um zu zeigen, wie bestimmte landwirtschaftliche Qualitätsprodukte aufgewertet werden können. Es soll einen direkten Bezug vom Bauernhof zur Küche geben. Wenn es gelingt, diese Vorzugsspur zu nützen und unsere Produkte je nach Jahreszeit dauerhaft und zuverlässig anzubieten, könnte das einer der Schlüssel zu noch mehr Qualität in der Gastronomie werden.“

 

In Südtirol bemüht man sich darum, die Ansprüche der Gäste rasch zu erkennen. Immer mehr Touristen, aber auch Boznerinnen und Bozner möchten nicht nur essen, sondern dabei auch etwas erleben. Wenn das der Fall ist, sind etwas höhere Preise – beispielsweise für gesunde und natürliche Produkte aus der Region – vermittelbar, oder?

 

„In den letzten Jahren hat sich ein regelrechter kultureller Wandel vollzogen: Natürlich sollen all jene, die bei uns ein typisches Gericht bestellen und einen typischen Rahmen für das Essen wünschen, so gut wie möglich bedient werden. Das ist ja klar – und diese Sparte wird zum Glück nie verschwinden.

Doch das ist nur die eine Seite. Hinzu kommt, dass man hierzulande auch auf experimentierfreudige Küchenchefs trifft. Sie sind aus unserer Zeit und aus unserem Angebot nicht mehr wegzudenken. Ihre Küche ist nicht nur für jüngere Generationen bestimmt – im Gegenteil. Die Beherbergungsbetriebe, die bereits ein hohes Niveau bieten, haben diesen Trend ermöglicht, wir haben in relativ kurzer Zeit riesige Schritte gemacht, was mich freut. Natürlich gibt es noch Luft nach oben, wir möchten uns keinesfalls auf den Lorbeeren ausruhen.“

Wie hat man das zu verstehen?

„Wir bieten eine Menge an Kursen und Projekten für Köchinnen und Köche an, vor allem, um die Abläufe in der Küche zu verbessern, auch mithilfe neuer Methoden und neuer Geräte. Es ist ein Weg, der modern ist, bei dem aber die Qualität nicht zu kurz kommen soll.“

Wird die sogenannte künstliche Intelligenz bald auch Einzug in unsere Küche halten?

„Daran gibt es keinen Zweifel. Denken Sie nur daran, dass schon heute viele Rezepte in einer Cloud liegen und nach Bedarf abgerufen werden können. Und das wäre erst der Anfang. Oder aber, es bietet sich die Möglichkeit, ein Gericht unmittelbar nach den Vorlieben eines Gastes zuzubereiten usw.“

Sprechen wir über die Jugend. Wollen die jungen Menschen die Köchinnen und Köche der Zukunft werden?

„Ja, und sie sind auch sehr experimentierfreudig. Wir sollten allerdings vorsichtig sein: Diese Generation ist nicht mehr bereit, sich dem Arbeitsrhythmus eines Hotels an sieben Tagen in der Woche zu unterwerfen. Sie wollen vielleicht an fünf Tagen arbeiten oder so. Die Verantwortlichen in den Beherbergungs- und Gastronomiebetrieben müssen diesen Ansprüchen und Forderungen nachkommen, wenn sie sich die besten Ressourcen für die Zukunft sichern wollen. Bei einem kürzlichen Besuch in Berlin haben wir festgestellt, dass man sich in den Großstädten bereits auf eine Vier-Tage-Woche eingestellt hat und einige Betriebe es sogar vorziehen, an einigen Tagen zu schließen. In Südtirol sind wir noch nicht an diesem Punkt angelangt, stimmt, aber das ist der Trend, ob man es will oder nicht. Das gilt natürlich auch für die Kellnerinnen und Kellner, die einen sehr wichtigen Beruf ausüben und die einen vielseitige Ausbildung genießen.“

 

Sie ist es gewohnt, in die Zukunft zu blicken. Also fragen wir Sie abschließend, wo Sie die Südtiroler Lebensmittelbranche in zehn Jahren sehen.

„Gute Frage. Grundsätzlich glaube ich, dass das traditionelle Angebot bestehen wird. Es wird wahrscheinlich noch mehr Wert auf die Qualität von Fleisch gelegt werden, aber auch auf vegetarische Gerichte. In Berlin geht es zum Beispiel deutlich in Richtung Vegan. Ich rechne auch mit Karten, auf denen nicht immer alles zu finden ist, Karten, die knapper sind und reizvolle, vielleicht auch ungewöhnliche Rezepte bieten. Im Wesentlichen werden wir ein kleineres Angebot vorfinden, dafür aber mit mehr Raffinesse und Liebe zum Detail verwöhnt werden. Südtirol wird ein Land der Gastfreundschaft bleiben, da bin ich mir sicher, und die gepflegte Küche zwischen Tradition und Experimentierfreude trägt bestimmt dazu bei, dass das touristische Gesamtpaket auch in Zukunft stimmt – für den Gast, aber auch für die Menschen in diesem Land.“